Deutscher Psychologentag 2003 BDP
22. Kongress für Angewandte Psychologie
2.- 5. Oktober 2003

Thema: Das Graves-Modell als Beitrag zur Salutogenese
Auszug

Ulrich Grannemann, Dipl. Kaufmann
Susanne Kopp, Dipl. Psychologin

 

Einleitung

Ob wir einem einzelnen Menschen helfen möchten oder die Welt etwas besser machen wollen, in beiden Fällen müssen wir die Welt etwas gesünder machen. Wollen wir die Welt etwas gesünder machen, gehen wir auf eine Reise, die Bedingungen kennen zu lernen, unter denen Gesundheit entsteht.
Diese Reise führt uns durch verschiedene Größenordnungen der Betrachtung von Gesundheit. Innerhalb dieser Größenordnungen können wir verschiedene Brillen aufsetzen.
Wir betrachten die einzelnen Zellen, das gesamte Organ, das Organ mit seiner Umgebung, den Körper des Menschen, und wir kommen noch einmal zu anderen Sichtweisen, wenn wir den gesamten Menschen mit seinen seelischen Prozessen wahrnehmen.
Schnell stellen wir fest, dass auch dieser Fokus noch nicht ausreicht und sehen den Menschen in einem Netzwerk von Beziehungen, die ihn prägen. Hier entwickeln sich die klassischen systemtheoretischen Modelle, ob es nun Paare, Familien oder Gruppen sind.
Wenn wir an dieser Stelle den Blick erweitern, wird das Bild unübersichtlich und kompliziert. Wir können die Einflüsse von außen auf das Individuum nicht mehr durch die Summe von Einzelbeziehungen abbilden. Dazu sind diese Beziehungen und Kontakte zu zahlreich.
Ein Ansatzpunkt ist, zu den systemisch-konstruktivistischen Modellen überzugehen und das System als konstruierte Repräsentation im Individuum wieder in den Mikrokosmos hineinzuziehen.
Mit Graves ergibt sich eine weitere Möglichkeit, der schier unüberschaubaren Zahl von Kontakten, Beziehungen und Subsystemen, Struktur und Ordnung zu geben.
Wir brauchen dazu den Mut, unser soziales Umfeld zu simplifizieren und das Modell als nützliche Annäherung an die Realität zu definieren. Graves bietet eine Sortierung an, wobei sich die Nützlichkeit danach bemisst, dass mit dem Grad der Vereinfachung nicht der Grad der Banalität steigt. Und der Grad der Genauigkeit einhergeht mit einem ebenso hohen Grad an Informationsfülle.
Ob das Modell das Zeug hat, zu einem ausgewachsenen handlungsorientierten Modell zu werden, bleibt offen, in diese Richtung suchen wir. Das Graves-Modell könnte ein weiteres Tor sein, das Licht wirft auf salutogene, heilsame Betrachtungsweisen.

 


Quelle: Grannemann, Ulrich, Kopp, Susanne, Das Graves-Modell als Beitrag zur Salutogenese, in:
Maximilian Rieländer, Julia Scharnhorst (Hrsg.), Psychologische Berufsfelder zur Förderung von Gesundheit –
Neue Chancen entdecken, Deutscher Psychologen Verlag GmbH, Bonn, 2005, S. 71-83.